1955-1978: VON MAINZ IN DIE SCHWEIZ
Hüschs weiterer künstlerischer Weg stand fest: “Ich wusste inzwischen, Kabarett ist mein Leben, das wirst du bis zum Ende deines Lebens machen” . Und er versuchte es erst einmal im Enseble: 1956 gründete er mit Helga Mummert, Rudolf Jürgen Bartsch und Agnes Verena das Kabarett die 'arche nova', das zu einem Exportschlager bis in die Niederlande und in die Schweiz wurde.

1961 löste Hanns Dieter Hüsch dann allerdings die 'arche' auf und vertraute seinem Talent, nahm sich einen hamburger Künstleragenten und nach anfänglichen Problemen und finanziellen Nöten entwickelte sich Hüsch in den 1960er-Jahren zu einem der wichtigsten und produktivsten Vertreter des literarischen Kabaretts in Deutschland. 1963 wollte HDH sein für einen Rundfunksender hergestellte, von diesem aber nicht ausgetrahlte Hörspiel ‘
Carmina Urana’ auf Schallplatte veröffentlichten. Da er hierfür jedoch keine Plattenfirma fand, tat sich Hüsch mit Dieter Süverkrüp zusammen, dem ähnliches mit seinen Tonaufnahmen widerfahren war, und beide veröffentlichen ihre Aufnahmen selbst als Kurzschallplatten (EP) mit jeweils vier Liedern und vertrieben diese von der eigenen Wohnung aus unter dem Namen ‘pläne’. Zwei Jahre später wiederholte Hüsch dies mit Rundfunkaufnahmen von vier seiner frühen Chansons. 1966 fand sich mit der Polydor ein Plattenlabel, das Hüschs erste Langspielplatte vertrieb, dem eine Unzahl weiterer Schallplatten und CDs folgen sollten. Auf der LP ‘Chansons, Gedichte, Geschichten’ entlarvte Hanns Dieter Hüsch mit teilweise akrobatischem Wortwitz das Kleinbürgertum und die Spießergesellschaft, fand sein Publikum und sogar Fernsehrollen.

Ab 1965 verpasste Hüsch seinen Kabarettvorträgen neue politische Grundzüge, die sich früher schon (etwa im gegen die Atombombe gerichteten Programm '
Camina Urana' der 'arche nova') gezeigt hatten. Neben Franz Josef Degenhardt und Reinhard Mey gehörte Hüsch zu den wichtigen Künstlern, die ab 1966 durch das ‘Festival Chanson Folklore International’ auf der Burg Waldeck im Hunsrück einem größeren Publikum bekannt wurden.

Obwohl Hanns Dieter Hüsch seit 1962 fast nur noch solo auftrat, wich er 1967 von seiner Linie ab und trat im
Quartett mit Franz- Josef Degenhardt, Wolfgang Neuss und Dieter Süverkrüp auf. 1968 begeisterte er während des Beginns der allgemeinen Studentenunruhen bei den Essener Songtagen das Publikum und setzte hierbei auf der Bühne erstmals anstelle von Klavier oder Flügel probeweise eine Philicorda-Orgel ein,  die in den folgenden mehr als drei Jahrzehnten sein musikalisches Markenzeichen werden sollte. Allerdings wollte die Studentenbewegung seinerzeit von ihm mehr, als Hüsch ihr zu geben bereit war. Die Quittung für sein ‘sich nicht festlegen wollen’ kam, als seine Auftritte in den späten 1960er-Jahren, zuerst auf der Waldeck und danach auch anderswo, fast durchgängig chaotisch gestört wurden, so dass Hüsch sie abbrechen musste. Innerlich tief verletzt zog Hüsch sich daraufhin aus Deutschland zurück und trat bis Ende 1972 mit zwei Ausnahmen nur noch in der Schweiz auf. “Das ist einfach so, wenn man von den eigenen Genossen öffentlich hingerichtet wird und es waren öffentliche Hinrichtungen.” resumierte ein nun brillentragender Hüsch verbittert und reagierte, indem er 1970 das Programm ‘Enthauptungen’ schrieb, als seine Art der Abrechnung mit Ideologien jeglicher Art. Und als Familienvater, der Frau, Kind und Katze zu ernähren und ein Reihenendhaus in Mainz abzubezahlen hatte, betrat er ungewöhntes Terrain, in dem er mit den Kameras des ZDF in der Rolle eines satirischen Reiseleiters durch die Welt nach USA oder Ägypten zog. Außerdem wurde Hüsch beim ZDF als TV-Synchronsprecher schnell zu DER Stimme für knapp 400 Filme der Klamottenkiste, angefangen bei 'Dick & Doof' über ‘Die kleinen Strolche’ und 'Pat & Patachon' bis zu den ‘Vätern der Klamotte’.

Mit der neuen Popularität kehrte auch der Erfolg auf den deutschen Kleinkunstbühnen zu Hüsch zurück. Mit dem Programm 'Hanns Dieter Hüsch Live' schaffte er im Jahre 1973 den Durchbruch und vergrößerte mit jeder Gastspielreise die Zahl seiner Zuhörer. Hinzu kamen in den 1970er- Jahren weitere feste TV- und Radio-Engagements als Autor, Sprecher, moderierender Gastgeber oder Schauspieler, wie etwa beim “Gesellschaftsabend” des SWF oder Hüschs größtem TV-Erfolg in den 18 Folgen als Familienvater in der satirischen ARD-Serie ‘Goldener Sonntag’, welche man aus heutiger Sicht durchaus als kleinen Vorgriff auf die TV- Lindenstraße sehen kann, die ein Jahrzehnt später begann.

Was jedoch kaum jemand zu dieser Zeit ahnte: schon 1973 hatte Hüsch seine eigene kleine Familie verlassen, war in die Schweiz gezogen, um mit der Sängerin und Tänzerin
Silvia Jost zusammen zu leben. “Eine schöne, eine gute Zeit - auf jeden Fall keine verlorene.” blickte HDH später zurück. Er habe sich in den sechseinhalb Jahren mit Sylvia Jost, während denen trotzdem oft auch in Mainz bei Marianne und Anna war, sehr verändert und weiterentwickelt, habe an Selbstbewusstsein das zurückgewonnen, was ihm die Waldeck zuvor geraubt hatte.

Für den ‘Faux Pas De Deux’, einem Liveprogramm von Silvia Jost und Hüsch, komponierte er 1974 sein berühmtes
Abendlied. Während seiner Zeit n der Schweiz mochte sich Hüsch allerdings nicht so sehr mit Mainz befassen und dachte deshalb eher über seine Heimat, Moers und den Niederrhein nach. Das Ergebnis war das Programm ‘Das schwarze Schaf vom Niederrhein’ mit welchem er an die Live- Erfolge anknüpfen konnte. Als ihn die Universität in Mainz im Juni 1977 zu ihrem Ehrenbürger ernennen wollte, führte dies dazu, dass sich Hanns Dieter Hüsch wieder verstärkt mit seiner selbst gewählte Lebensveränderung befasste (später hat er dies in seiner Autobiografie ‘Du kommst auch drin vor’ ohne Umschweife beschrieben) und dabei feststellen musste, dass für ihn die Trennung von Ehefrau und Tochter -die “Zerrissenheit meines Lebens”, wie er sie nannte-  nicht wirklich zu verkraften war. Ob deshalb in genau diese Jahre die Geburt seiner Kunstfigur 'Hagenbuch' fiel, jenes nörgelnden Träumers, hat Hüsch nie kommentiert. Für Bernd Schroeders Buch ‘Hanns Dieter Hüsch hat jetzt zugegeben’ lüftete er allerdings das Geheimnis um die Quellen Hagenbuchs.